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Limo aus Abfall

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Wird Kaffee hergestellt, fällt viel Müll an. Der belastet die Umwelt. Doch nun entsteht daraus eine Koffein-Brause.

Fruchtig. Eine Ernte von Kaffeekirschen in Costa Rica. Für den Kaffee wird die Kaffeebohne genutzt – das Fruchtfleisch der Kirsche…

Sie schmeckt süß, aber auch etwas säuerlich und herb, ähnlich wie Holunder oder Cranberry. Außerdem enthält die Brause, die die zwei Jungunternehmer Bastian Muschke und Bastian Senger erfunden und „Caté“ genannt haben, Koffein. Nichts Besonderes also, sondern nur ein Cola-ähnliches Gesöff mehr? So normal das Limonadeprodukt selbst sein mag, so ungewöhnlich ist der Rohstoff, aus dem es entsteht: Aus Abfall, dem Fruchtfleisch der Kaffeekirsche.

Neun Millionen Tonnen Kaffeebohnen werden jährlich aus Nicaragua oder Brasilien, Äthiopien oder Vietnam verschifft, mehr als eine Million Tonnen nach Deutschland. Das zuvor entfernte Fruchtfleisch interessiert dabei nicht die Bohne. Weil bei den handelsüblichen Sorten, zum Beispiel Coffea arabica, die Kaffeekirsche hauptsächlich aus Fruchtfleisch besteht – die Bohne hat nur einen Gewichtsanteil von rund 20 Prozent –, werden jährlich schätzungsweise 50 Millionen Tonnen der hellroten, saftigen Frucht entsorgt.

Das ist umso bedauerlicher, als die Kaffeekirsche Antioxidantien und viele B-Vitamine enthält. Doch nicht nur das Lebensmittel wird verschwendet, sondern auch ein Großteil der 140 Liter Wasser, die laut des Unesco Institutes for Water Education für die Herstellung von einer Tasse Kaffee nötig sind. Viele Millionen Hektar Ackerfläche, Energie und die Arbeit von 25 Millionen Menschen, die auf den Feldern die Kaffeekirsche pflücken und weiterverarbeiten, werden ebenso vergeudet. Obendrein verschmutzt die Beseitigung des Fruchtfleisches die Umwelt.

Abwasser von Kaffeefarmen belasten das Grundwasser

„Die Entsorgung der Abwässer, die bei der Herstellung des Rohkaffees anfallen, belastet den Wasserhaushalt“, sagt Cassio Franco Moreira, Agrarwissenschaftler in Brasilien, der mit der Umweltorganisation World Wide Fund of Nature (WWF) zusammenarbeitet. Um Bohne und Fruchtfleisch voneinander zu trennen, wird meist eine Methode genutzt, bei der Fruchtfleisch und -häute von der Bohne heruntergewaschen werden. Dabei entstehen große Mengen Abwasser, das die Bakterien in den örtlichen Kläranlagen nicht ausreichend aufbereiten können, da es zu viel Fruchtfleisch und -säure enthält sowie mit Enzymen versetzt ist, die beim Waschen beigefügt werden, damit sich die Bohne leichter vom Fruchtfleisch löst. Studien in Kolumbien, Nicaragua und Costa Rica zeigen, dass unzulänglich geklärtes Abwasser aus der Kaffeeprodukion das Grundwasser, Flüsse und Seen belastet. „Auf Kaffeefarmen in Brasilien sowie zum Teil auch in Äthiopien und Kenia nutzen die Bauern hingegen die Sonnentrocknung, ein Verfahren, das das Wasser schont“, erläutert Franco Moreira.

Kaffeekirschen müssen sofort verarbeitet werden

Wie sie abläuft, hat Bastian Muschke schon häufig beobachtet. Bevor er mit der Brauseherstellung begann, studierte er Maschinenbau und installierte in Mittel- und Südamerika Solaranlagen. Dabei war er in Gegenden unterwegs, in denen die Landwirte Kaffee anbauen, und naschte Kaffeekirschen direkt vom Baum: „Sechs bis acht Wochen lang trocknet die Frucht auf Bambusbetten, die in langen Reihen nebeneinanderstehen“, sagt Muschke. „Mit einfachen mechanischen Maschinen wird das Fruchtfleisch schließlich von der Bohne heruntergequetscht“, und fertig ist der Rohkaffee. Als Nebenprodukt fällt die Kaffeekirsche an. Wenn sie nicht sofort weiterverarbeitet wird, verdirbt sie. Deshalb ist sie für den Verkauf auf den lokalen Märkten nicht geeignet; abgesehen davon fällt sie in zu großen Mengen an, die die Menschen in der Umgebung nicht verwerten können. Muschke hat beobachtet, dass das wertvolle Fruchtfleisch verbrannt oder in der Erde vergraben wird.

Die beiden Bastians wollen auch dazu beitragen, die Verschwendung der Kaffeekirsche zu stoppen. „Wir wollen einen kleinen Beitrag leisten, um die Welt zu verbessern“, sagt Muschke. Schon als er und Senger noch in ihren alten Berufen arbeiteten – Senger war in der Unternehmensberatung tätig – trafen sie sich regelmäßig und träumten davon, mit einer eigenen Firma zu mehr Sozial- und Umweltverträglichkeit beizutragen. „Die Kaffeebranche erschien uns wie gerufen, da sie ein großes Handelsvolumen aufweist und viele Akteure beteiligt sind“, sagt Muschke. „Wenn es gelingt, zunehmende Mengen an Fruchtfleisch zu verwerten, kann eine steigende Anzahl von Farmern ihr Einkommen verbessern.“ Denn während die Kaffeeröster, Konzerne wie Kraft, Nestlé und Tchibo, zunehmend enormen Profit verzeichnen, verarmen viele kleine Familienbetriebe und Händler in den Herstellerländern.

Für die Verwertung der Frucht darf sie keine Pestizide enthalten

2014 begannen die Jungunternehmer mit der Suche nach einem Anbaupartner und verschickten E-Mails an insgesamt fast 300 Farmer. Nur Graciano Cruz, Kaffeebauer auf einer 30 Hektar großen Kaffeeplantage in Panama, hat geantwortet. Bis heute ist er der einzige Anbaupartner von Caté. Außerdem hat 2017 die Firma Katjes über eine Schwestergesellschaft 20 Prozent des Start-ups übernommen.

Sieben Euro zahlt das Start-up pro Kilo getrocknete Kaffeefrucht. Das ist in etwa so viel, wie Kaffeefarmer für einen Kilo Rohkaffee erhalten. „Teilweise ist es sogar mehr, weil der Preis für die Bohnen extrem schwankt“, sagt Muschke. Obendrein fallen pro Kilogramm Rohkaffee rund fünf Kilogramm getrocknete Kirsche an – das bedeutet für den Kaffeefarmer, der sein Fruchtfleisch verkauft, mehr Geld. „Somit bieten wir einen Anreiz, die Farm ökologisch zu bewirtschaften und die Kirschen aufwendig in der Sonne zu trocknen.“ Die beiden Hamburger können das Fruchtfleisch nur verwerten, wenn es keine Pestizide enthält, also im Ökoanbau wächst, und schonend von der Bohne getrennt wird, denn nur dann gehen die wertvollen Inhaltsstoffe nicht verloren.

Aus mehreren Tonnen Fruchtfleisch werden 20.000 Liter Brause

Um das Fruchtfleisch zu Kaffeebrause zu veredeln, trocknet es nach der Trennung von der Bohne erneut an der Luft und schließlich in Säcken, bis es rund vier Monate nach der Ernte verschifft wird. Die beiden Unternehmer benötigen einige Tage, um aus mehreren Tonnen gerettetem Fruchtfleisch 60 000 Flaschen à 0,33 Liter herzustellen. Abfall falle kaum an: „Es bleiben ein paar Säcke voll Fasern übrig, die Biobauern abnehmen können, um sie als Ballaststoff an Schweine zu verfüttern“, sagt Muschke.

Die Idee, aus dem Fruchtfleisch der Kaffeekirsche Limo zu gewinnen, setzte vor den Hamburger Unternehmern schon das Berliner Start-up Selo um, das 2015 als erstes Unternehmen in Deutschland mit der Kaffeekirsche auf dem Markt war. Zuerst auch mit Erfolg: Die gleichnamige Brause ging in Bars und Restaurants über die Theke und stand in einigen Supermärkten im Regal. Bis die rote Frucht 2017 ihre Zulassung verlor: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nahm die Kaffeekirsche in den Novel-Food-Katalog auf. Um Risiken für den Verbraucher und die Verbraucherin auszuschließen, sind dort alle Lebensmittel aufgelistet, die nicht in nennenswerter Weise vor dem 15. Mai 1997 in der EU konsumiert wurden.

Vermeintliche Lebensmittelabfälle lassen sich nur mit der entsprechenden Erlaubnis verkaufen

Sollen sie trotzdem verkauft werden, müssen die regionalen Lebensmittelaufsichtsbehörden das genehmigen. „Ich habe es schlichtweg versäumt, einen Antrag auf Zulassung zu stellen“, sagt Laura Zumbaum, Gründerin von Selo. „Darüber hinaus hätte ich die Kosten für den Nachweis der Lebensmittelsicherheit nicht bezahlen können.“

So wie Zumbaum geht es vielen, die vermeintliche Lebensmittelabfälle für den menschlichen Verzehr nutzen möchten. „Sie scheitern, weil sie nicht über ausreichend Kapital verfügen“, sagt Stephanie Wunder vom Ecologic Institute in Berlin, einer privaten Forschungseinrichtung für Umweltwissenschaft. Gegen Zumbaum ermittelte schon das Landeskriminalamt. Sie durfte noch die 50 000 Flaschen aus ihrem Lager verkaufen, dann musste sie die Produktion einstellen. Heute stellen Zumbaum und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Erfrischungsgetränk her, das aus der grünen, also nicht gerösteten Kaffeebohne besteht.

Mit der Kaffeekirsche hatten Bastian Muschke und sein Geschäftspartner mehr Glück als Zumbaum. Weil sie eine Genehmigung beantragt haben, steht Caté bis zur Entscheidung, ob die Kirsche als Lebensmittel zugelassen wird oder nicht, unter Betriebsschutz. Außerdem konnten Muschke und Senger das nötige Geld für die regelmäßigen Prüfungen des Fruchtfleisches aufbringen. Zunächst betrieben sie ihr kleines Unternehmen neben ihren eigentlichen Berufen.

Die Brause aus Kaffeekirschen gibt es vorerst nur in Amerika

Vor ein paar Monaten haben sie sich trotzdem entschieden, die Kaffeebrause bis auf Weiteres nicht mehr in Deutschland zu vertreiben: „Die Freigabe der Kaffeekirsche als Lebensmittel zieht sich viel länger hin, als wir dachten“, sagt Muschke. „Ohne Freigabe hat unser Unternehmen aber keine Zukunft.“ So ist der Vertrieb über Supermärkte erschwert, da diese meist auf das grüne Licht der Lebensmittelbehörde pochen.

Die beiden versuchen nun in den USA ihr Glück. „Sobald die Rechtslage in Deutschland eindeutig ist, kommen wir zurück“, sagt Muschke. Ihre Idee hat bereits Schule gemacht: „Wir sind mit Kaffeeröstern wie David Neumann im Gespräch, der auf Plantagen in Mexiko, Panama oder Uganda Kaffee erntet“, erzählt Muschke. Doch für die großen Kaffeeunternehmen will die Firma nur als Dienstleister arbeiten, eine Geschäftsbeteiligung schließen sie aus.

„Wir möchten zwar auch Gewinne erwirtschaften“, sagt Muschke. „Allerdings wollen wir sie in soziale oder gemeinnützige Projekte investieren.“ Die Überschüsse aus dem Vertrieb der Kaffeekirschenlimo sollen zurück zu den Farmern fließen und etwa Solaranlagen finanzieren helfen.

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