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Moscheen wollen kaum studierte Imame

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Warum bislang kaum ein Absolvent der neuen Islam-Theologie in den Dienst einer Moschee gekommen ist.

Studierte Imame. Es liegt nicht nur an den fehlenden Finanzen, dass das Interesse der Moscheen bislang gering ist.

Als 2011 die ersten Studiengänge für islamische Theologie in Deutschland ins Leben gerufen wurden, waren die Erwartungen der Bundesregierung und beim Wissenschaftsrat groß. Die hier ausgebildeten muslimischen Theologen sollten als Lehrkräfte, Imame, Seelsorger, Wissenschaftler sowie Sozialarbeiter helfen, die Integration von Muslimen in Staat und Gesellschaft zu verbessern. Zudem wollte man mit der Ausbildung im Inland den Einfluss ausländischer Akteure zurückdrängen. Inzwischen haben seit 2016 die ersten der aktuell rund 2000 eingeschriebenen Studenten die Unis verlassen. Die Rede ist von ein paar hundert Absolventen, von denen es aber kaum mehr eine Handvoll geschafft habe, eine Anstellung in ihrem Wunschberuf als Iman zu finden. Es wurde „versäumt, die Studiengänge auf den Arbeitsmarkt abzustimmen“, heißt es dazu in einer Studie der Konrad Adenauer Stiftung (KAS). Konkrete Zahlen werden nicht genannt. Das Papier beruht im Wesentlichen auf den Eindrücken der Dozenten an den Hochschulen.
Die Gründe für die schlechten Berufsaussichten sind vielfältig. Neben der fehlenden Akzeptanz durch die Moscheegemeinden scheitern die Theologen an ihrer eigenen Eignung sowie an offenen rechtlichen Fragen und institutionellen Schwierigkeiten. Da Muslime anders als Christen und Juden bis auf wenige Ausnahmen nicht als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert sind, dürfen sie keine Steuern erheben und haben somit schlicht nicht das Geld, um ihre Seelsorger, Lehrer und Imame angemessen zu bezahlen.

“Ein Warnhinweis an die deutsche Politik”

Die Finanzierung zahlreicher Imame aus dem Ausland – etwa durch die türkische Religionsbehörde Diyanet oder durch wahabitische oder salafistische Geldgeber aus Saudi-Arabien, Kuwait oder Katar –, ist politisch hochumstritten. Von daher seien die Islamstudiengänge, „um die uns halb Europa beneidet, nach wie vor eine gute Idee“, sagt Andreas Jacobs, Koordinator der Adenauerstiftung für Islam und Politik. „Aber wir müssen nachbessern.“ Die Analyse „Islam als Beruf“ hat er mit dem Religionssoziologen Rauf Ceylan, Professor für gegenwartsbezogene Islamforschung an der Universität Osnabrück, verfasst. „Unser Papier ist vor allem ein Warnhinweis an die Politik, eine Art gelbe Ampel“, sagt Jacobs.
Bisher wird Islamische Theologie in Deutschland an fünf Standorten – Osnabrück, Münster, Frankfurt/Gießen, Tübingen und Erlangen-Nürnberg – als Studienfach angeboten. Ein weiterer Studiengang in Berlin soll Ende 2019 starten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung lässt sich dieses Angebot mit zwei Dutzend Professuren pro Jahr rund 7, 5 Millionen kosten. Für fünf Jahre wurden etwas mehr als 36 Millionen Euro veranschlagt. Hinzu kommen Landesmittel.
Dass dieser Finanzeinsatz bisher kaum Früchte trägt, liegt laut Adenauer-Stiftung oft auch an den rund 2500 muslimischen Gemeinden im Lande. Die Bereitschaft, dort einen in Deutschland ausgebildeten Theologen anzustellen, ist gering bis nicht vorhanden. Die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (Ditib) mit ihren rund 900 Moscheen sowie der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ, etwa 300 Moscheen) bilden ihre Imame lieber weiter selbst aus. Die wenigen Absolventen, die die Ditib bisher übernommen hat, mussten noch eine Zusatzausbildung in Ankara absolvieren, berichtet Jacobs.

Viele Muslime wünschen offenbar keine “Verwissenschaftlichung” ihres Glaubens

Laut KAS befürchten viele Muslime, dass ihr Glauben durch die „institutionelle Verwissenschaftlichung“ deformiert werden könnte. Zudem wurde die Ditib explizit gegründet, um den türkischstämmigen Muslimen in Deutschland ein von der Türkei und ihrer Religionsbehörde kontrolliertes religiöses Angebot zu machen und die Auswanderer eng an ihre alte Heimat zu binden. Nachdem sich die Türkei zuletzt immer mehr von einer Demokratie zu einer Autokratie mit islamistischen Zügen entwickelte, hoffte die Bundesregierung, dass man durch die neuen Studiengänge wieder mehr Muslime für die Demokratie begeistern würde. Doch auch diese Annahme scheint sich gegenwärtig zu zerschlagen.
Etliche Studenten kämen zudem „mit vollkommen falschen Vorstellungen“ an die Unis. Viele von ihnen halten den Islam unreflektiert für „die bessere Religion“ und würden das gerne so an ihre zukünftigen Schüler weitergeben, notiert Ceylan. „Diesen Leuten müssen wir klarmachen, ihr seid hier an der Uni und nicht an einem Betseminar“, ergänzt Jacobs, der Politik-, Islamwissenschaft und Germanistik in Köln, Tunis und Kairo studiert hat. Er empfiehlt, potenziellen Studenten klarzumachen, dass sie an der Hochschule „auch einen kritischen Diskurs erleben werden“.

Das Kopftuch behindert den Einstieg ins Lehramt

Ein weiteres Problem bei der Integration der Uniabsolventen in den Arbeitsmarkt ist laut Adenauerstiftung das Kopftuch. Die Mehrheit der Studierenden sind Frauen mit dem Ziel Lehramt. Viele von ihnen tragen Kopftuch aus Überzeugung. Doch genau das – das Tragen religiöser Accessoires – ist Pädagogen in den meisten Bundesländern verboten.
Aufgrund der vielfältigen Probleme zeichnet die Adenauerstiftung ein eher düsteres Bild der Lage: „Solange kein der Kirchensteuer äquivalentes Instrument der Finanzierung muslimischer Institutionen existiert, wird sich an den oben geschilderten Schieflagen und hier insbesondere der Einflussnahme aus dem Ausland wenig ändern. Gerade die Beschäftigung von Imamen an deutschen Moscheen setzt etablierte und transparente Finanzierungsstrukturen voraus.“

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