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Im Namen der Natur

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2019 gibt es fast drei Dutzend Tiere, Pflanzen und Lebensräume „des Jahres“. Ziel ist, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Mancher Artname hat auch Unterhaltungswert.

Keine Milch, auch keine Eier. Aber immerhin Wolle: Dieses Schwein ist die Nutztierrasse des Jahres 2019.

Ist 2019 jetzt das Jahr des Erd-Schweins oder des Atlantischen Lachses, oder doch das der Gurke? Die Antwort ist: ja. Denn tatsächlich wird jedem dieser Wesen – und laut Naturschutzbund Deutschland noch 29 weiteren Tieren, Pflanzen aber auch Ökosystemen – im kommenden Jahr eine solche Ehre zuteil. Aus dem Rahmen fällt nur das Erd-Schwein, das nicht, weil es eine erhaltenswerte, aber gefährdete Nutztierrasse wäre, auf der Liste steht, sondern weil schlicht der chinesische Kalender es so vorsieht. Es ist auch erst ab dem 5. Februar, dem Chinesischen Neujahrrstag, dabei. Gefährdetes Nutztier des Jahres ist aber ein Verwandter: das Wollschwein.

Öhringer Blutstreifling

Doch wozu all diese Jahreswesen, zu denen 2019 auch Flatter-Ulme (flatterhaft!), Grüner Knollenblätterpilz (sehr giftig!), Gemeine Höhlenstelzmücke (gemein!), Senf-Blauschillersandbiene (Stachel!), Rostrote Mauerbiene (Stachel!), Distel (nochmal Stachel!) und Öhringer Blutstreifling (kein Kommentar) gehören?

„Wenn man alle Tiere, Pflanzen, Landschaften und Ökosysteme des Jahres auflistet, dann wird es in der Tat sehr unübersichtlich“, gibt Kerstin Elbing vom Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO) zu. Andererseits seien die Auszeichnungen in der Regel gut begründbar. Jeder Verband, jede Organisation habe eigene Schwerpunkte, Zielgruppen und Kommunikationskanäle, sodass viel mehr Menschen erreicht würden als wenn man sich auf wenige Tiere, Pflanzen oder Landschaften beschränken würde. „Ich denke, da höhlt steter Tropfen den Stein – und nur sehr wenige Personen haben wirklich stets alle Einzelauszeichnungen vor Augen.“ Zudem müsse man in einer Öffentlichkeitskampagne gute Geschichten erzählen können.

Grüner Knollenblätterpilz

In der Regel geht es darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen – über das einzelne „Jahreswesen“ hinaus. So verknüpfte die Gesellschaft für Mykologie die Kür des Grünen Knollenblätterpilzes, von dem schon 50 gegessene Gramm lebensbedrohlich sind, zum Pilz des Jahres mit der Forderung nach mehr öffentlicher Unterstützung für Pilzberater. Der Deutsche Angelfischerverband betonte bei der Auszeichnung des Atlantischen Lachses, dass vor allem der Mensch die Lebensräume der Art zerstört habe. Und die Stiftung Baum des Jahres will die bei der Renaturierung von Feuchtgebieten nützliche Flatter-Ulme neu ins Bewusstsein von Stadtplanern und Förstern holen.

Wie erfolgreich solche Kampagnen sind, ist kaum zu messen. Eine bedrohte Art könne nicht innerhalb eines Jahres gerettet werden, macht Birte Strobel von der Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP) klar. «Während eines Aktionsjahres geht es in der Regel darum, Lobbyarbeit für Tierarten beziehungsweise Themen zu betreiben, die nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen und Spenden für Schutzmaßnahmen zu generieren.» Es werde über Missstände aufgeklärt. Die Bevölkerung und politische Entscheidungsträger würden sensibilisiert.

Scharnierschildkröte

Die ZGAP zeichnet seit 2016 das Zootier des Jahres aus und hat gute Erfahrungen gemacht. Dank der Kampagnen kämen sowohl durch die Zoos als auch durch deren Besucher viele Spenden zusammen. So konnten auch Langzeitprojekte profitieren, etwa durch neue Aquarientechnik für die Scharnierschildkröten-Zuchtstation in Münster oder neue Fahrzeuge für die Projektarbeit zum Schutz des Persischen Leoparden im Iran.

«Der Wert der Auszeichnung liegt wohl vorrangig im Bereich der Sensibilisierung und Umweltbildung – die natürlich nicht bei der Einzelart hängenbleiben darf, sondern auch den Lebensraum und die Rahmenbedingungen mit adressieren soll», erklärt Elbing. Da sei der Vogel des Jahres ein gutes Beispiel: 20 Jahre nach der ersten Wahl ist es 2019 erneut die Feldlerche, weil sich ihr Rückgang fortgesetzt hat. Verantwortlich dafür sei intensivere Landwirtschaft mit Pestiziden und weniger Brachflächen – und die sei unter anderem Resultat der EU-Agrarförderung, so Elbing. «Und das ist ein deutlich sperrigeres Thema, das in der Breite kaum zu vermitteln ist.»

Schachbrett

Andere Organismen wie die Spinne des Jahres und das Weichtier des Jahres würden vor allem zur Imageverbesserung gekürt, meint Elbing. Auch die Auszeichnung Mikrobe des Jahres soll vor allem falsche Vorstellungen korrigieren, etwa daran erinnern, dass nicht jedes Bakterium krank macht.

Der “Vogel des Jahres” machte 1971 den Anfang. 1980 folgte die Blume des Jahres. Später kamen zahlreiche weitere Kategorien hinzu – Moose, Einzeller und Spinnen etwa. 2019 sind auch Schachbrett und Lippe dabei – nicht als Spiel und Körperteil des Jahres, sondern als Schmetterling und Flusslandschaft. rif/dpa

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