Politik

“Hart aber fair”: Warum ist unsere Infrastruktur so kaputt?

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Es ging heiß her bei “Hart aber fair” zum Thema “Hier Funkloch, da Schlagloch: Ist Deutschland ein Sanierungsfall?”

Von Julian Vetten


Kilometerlange Staus, verspätete Züge und kein Netz, um Bescheid zu sagen, dass man wieder später kommt: Wer in Deutschland unterwegs ist, wird oft den Eindruck nicht los, dass das Land kurz vor einem Kollaps steht. Wie konnte es so weit kommen?

Der Bundeswirtschaftsminister schämt sich für das deutsche Handynetz: "Ich bin ja viel im Auto unterwegs und habe inzwischen meinem Büro erklärt, dass ich bitte auf Fahrten nicht mehr mit ausländischen Ministerkollegen verbunden werden will, weil es mir total peinlich ist, wenn ich dann dreimal, viermal neu anrufen muss, weil ich jedes Mal wieder rausfliege", sagte Peter Altmaier letztens auf einer Veranstaltung zum Thema. Damit ist der CDU-Politiker nicht alleine: Probleme mit der digitalen Infrastruktur sind in Deutschland nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Zusammen mit den gravierenden Infrastrukturproblemen auf Schiene und Straße ergibt sich ein in Teilen desaströses Gesamtbild. "Ist Deutschland ein Sanierungsfall?" lautet folgerichtig auch die Frage bei "Hart aber fair".

Moderator Frank Plasberg hat am Montagabend den oben erwähnten Bundeswirtschaftsminister, die WDR-Moderatorin Steffi Neu, den Unternehmer und Technologieinvestor Frank Thelen, einen der Chefs des Landmaschinenherstellers Claas Hermann Lohbeck sowie Lina Ehrig von der Verbraucherzentrale ins Studio geladen.

"Nur 1,6 Prozent der Handynutzer bekommen die Geschwindigkeit, die ihnen vertraglich zugesichert wurde", eröffnet die Verbraucherschützerin die Runde mit einer gleichermaßen spannenden wie bestürzenden Zahl und schiebt hinterher: "Darüber hinaus ist Deutschland im europäischen Vergleich sehr teuer, vor allem bei den Daten." In einem Einspieler bestätigt ein Zuschauer Ehrigs Zahlen und berichtet von ruckelfreien Streamingerlebnissen auf polnischen Autobahnen und der schlagartigen Ernüchterung bei der Überquerung der deutschen Grenze. Wie kann es sein, dass sich die viertgrößte Volkwirtschaft der Welt in punkto Netzabdeckung in weiten Teilen wie ein Entwicklungsland anfühlt?

Düsteres Bild auf Straße und Schiene

"Der Fehler ist 2000 passiert, als die ersten UMTS-Lizenzen versteigert wurden", ist Frank Thelen überzeugt. "Damals wurden über 50 Milliarden nur für die Frequenzen ausgegeben. Und diese 50 Milliarden fehlen heute im Netz. Die sind nicht in den Breitbandausbau geflossen, sondern einfach versickert." Der Tech-Investor, den man auch als Juror aus der "Höhle der Löwen" kennt, befürchtet, dass sich der Fehler von damals bei der Vergabe des neuen 5G-Netzes wiederholen könnte.

Um aber überhaupt erst einmal die Probleme der Gegenwart in den Griff zu bekommen hat das Verkehrsministerium kürzlich eine Funkloch-App in Auftrag veröffentlicht, um zu prüfen, wo die Lücken besonders schlimm sind, betont der Wirtschaftsminister. "Ich kann ja noch nicht mal die Funkloch-App laden, um die weißen Flecken zu melden", entgegnet daraufhin WDR-Moderatorin Neu trocken, die in einem offensichtlich besonders toten Winkel am Niederrhein wohnt.

Ein ähnlich düsteres Bild zeichnen die Diskussionsteilnehmer auch vom Straßen- und Schienenverkehr: Die Rede ist von kilometerlangen Staus, verspäteten Zügen und Bahnfahrten ohne funktionierende Toilette. Leider bewegt sich die Diskussion hier auf überschaubarem Niveau. "Die Bahnstrecke Bielefeld-Berlin funktioniert meiner Erfahrung nach sehr gut, um hier mal eine Lanze zu brechen. Trotzdem vermeide ich Bahnfahren nach Möglichkeit, weil die Bahn ansonsten einfach zu unzuverlässig ist", sagt zum Beispiel Claas-Chef Hermann Lohbeck.

Mit Aussagen wie dieser können die Zuschauer freilich herzlich wenig anfangen. Spannend wäre hier ein Statement eines Bahnmanagers gewesen – nur wollte anscheinend keiner kommen, wie Frank Plasberg erzählt. Also werden weiter Allgemeinplätze und gefühlte Wahrheiten ausgetauscht. Das allerdings hätte man auch selbst am Stammtisch ausdiskutieren können – und da wäre dann wenigstens Bier mit im Spiel gewesen.

Als Kind wollte Julian vor allem eines: Lesen, lesen, lesen. Viel später fand der Junge mit den viereckigen Augen dann heraus, was die Welt außerhalb seiner Buchdeckel noch so zu bieten hat. Wenn er nicht gerade auf Deutschlandreise ist, beschäftigt sich unser Autor mit der Rolle des modernen Mannes und dem Spiegel der bundesrepublikanischen Seele, dem “Tatort”.

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