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Das Migrationsproblem der globalen Fischereipolitik

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Fischbestände werden oft wie lokale Ressourcen angesehen und gemanagt. Die Realität, so zeigt eine neue Studie, sieht sehr anders aus. Das hat Folgen.

Fische werden oft nicht dort gefangen, wo sie geschlüpft sind. Das verkompliziert internationale Regulierungen.

Auch wenn viele Länder ihren Fischfang meist nur mit Blick auf das eigene Hoheitsgebiet organisieren – die Fische im Meer kennen keine politischen Grenzen. Das aber kann schwerwiegende Folgen haben, etwa, wenn die Gebiete, wie Jungfische schlüpfen sich von denen unterscheiden, wo die Tiere leben, wenn sie größer sind. Überfischt eine Nation in ihrem Gebiet den Bestand und es gibt keinen Nachwuchs mehr, bleiben auch jenseits der Grenzen die Netze leer. Wie wichtig diese Nachbarschaftshilfe ist, berichten Nandini Ramesh von der University of California in Berkeley und ihre Kollegen jetzt in der Zeitschrift Science: Am Anfang des 21. Jahrhunderts gingen den Fischern weltweit in jedem Jahr Fänge im Wert von rund zehn Milliarden US-Dollar ins Netz, die aus anderen Ländern stammten.

200-Meilen-Zone

Dabei berücksichtigen die Forscher nur die Fische, die innerhalb der 200-Meilen-Zonen vor den Küsten gefangen werden. Sie werden vom jeweils angrenzenden Land bewirtschaftet und und aus ihnen stammen rund 90 Prozent aller Fänge. „Fischereibiologen wissen schon lange, dass die Eier und die daraus schlüpfenden Larven von den Strömungen in den Meeren oft größere Strecken mitgetragen werden“, erklärt Rainer Froese vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung GEOMAR in Kiel. In der Nähe einer geeigneten Küste wachsen diese Fische dann heran, viele von ihnen gehen später den Anrainern ins Netz.

Kalte Wasser der Bahamas

So stammt der Fang der Fischer auf den Bahamas im Atlantik oft aus der Karibik. „Den Eiern und Larven dieser Fische ist es in den Gewässern vor den Bahamas zu kühl, während die größeren Tiere mit diesen Temperaturen zurechtkommen“, fasst Rainer Froese den biologischen Hintergrund dieser Wanderung zusammen. Daher gehen vor den Bahamas gelegte Eier ein. Von der Karibik aber tragen die Strömungen die dort aus den Fischeiern geschlüpften Larven, die noch gar nicht aus eigener Kraft schwimmen können, dann zu den Nachbarinseln.
Auch viele Küsten der Philippinen und Indonesiens sind auf den Fisch-Nachwuchs aus der Ferne angewiesen, weil die eigenen Bestände stark überfischt sind und kaum noch Nachwuchs produzieren. Auf den politisch zwischen China, Vietnam, Malaysia, Brunei und den Philippinen umstrittenen, winzigen Spratly-Inseln ist zwar reichlich Militär aus verschiedenen Ländern stationiert, dort leben aber relativ wenige Fischer und die Bestände sind noch in Ordnung. Tragen die Strömungen einen Teil der Eier und Larven dieser Fische zu fremden Küsten, können die Fischer dort wieder ihre Netze auswerfen. „Allerdings funktioniert dieses Netzwerk nur über bestimmte Entfernungen“, erklärt Rainer Froese: Haben sich die Larven tropischer Fische fertig entwickelt, bevor die Strömung sie in die Nähe eines geeigneten Korallenriffs getragen hat, haben die kleinen Fische kaum eine Chance, lange zu überleben. Deshalb gibt es solche Verbindungen kaum quer über die großen Weltmeere wie Pazifik und Atlantik.

Schlüsselregionen

Nandini Ramesh und ihre Kollegen bildeten für ihre neue Studie viele solcher Verbindungen in einem Computermodell ab. So erhielten sie ein weltumspannendes Netzwerk für über 700 Fischarten, das allerdings mitten im Pazifik und Atlantik sehr löchrig ist. Vor allem in den warmen Meeren ist dieses Netzwerk dagegen sehr eng geflochten, solange die Küsten nicht allzu weit voneinander entfernt sind. „Das aber ähnelt einem zweischneidigen Schwert“, meint Nandini Ramesh. Auf der einen Seite ist das Risiko groß, dass überfischte Bestände an einer Küste auch die Fangzahlen bei den Nachbarn einbrechen lassen. „Andererseits können viele Länder davon profitieren, wenn in wenigen Schlüsselregionen die Bestände und Laichgründe gut geschützt werden.“

Dein Hering, mein Hering

Nicht nur auf hoher See, sondern auch entlang der Küsten rentiert es sich für die jeweiligen Länder also, in der Fischereipolitik eng zusammen zu arbeiten. „Bisher wurden solche Kooperationen allerdings auch dafür genutzt, die eigenen Bestände zu überfischen, die Schuld dafür aber anderen in die Schuhe zu schieben“, meint Rainer Froese. Als Beispiel dafür nennt der Fischereibiologe den Hering im westlichen Teil der Ostsee. Dort haben seiner Meinung nach Deutschland, Dänemark und Schweden seit Jahrzehnten Fangquoten durchgesetzt, die nicht nachhaltig sind und die so die Bestände schrumpfen lassen. „Schuld am schlechten Zustand der Heringe sollen dann aber nicht diese Regierungen, sondern die Europäische Union sein“, sagt Rainer Froese.

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